Der Wanderweg GR 20 auf Korsika gilt als einer der technisch schwierigsten und konditionell anspruchsvollsten Weitwanderwege Europas.
Schon die alten Griechen gaben Korsika den Beinamen "Kalliste", die Schönste. Ein Gebirge, mitten im Meer gelegen, wunderbar grün mit vielen rauschenden Bächen und zu Frankreich gehörend. Die Korsen sind aber bis heute stolz auf ihre eigene Geschichte und Kultur und Sprache. Bis vor einigen Jahren geriet die Insel immer wieder durch Anschläge und Attentate korsischer Separatisten in die Schlagzeilen. Dadurch gibt es auf der Insel deutlich weniger der sonst im Mittelmeerraum so verbreiteten Hotelburgen entlang der Küsten. Trotzdem ist die Insel touristisch sehr gut erschlossen. Das Wetter verspricht im Sommer ebenfalls eher trocken und heiß zu sein, was die Planungssicherheit einer Bergtour natürlich sehr erleichtert.
Als wir zum ersten Mal vom GR 20 hörten, war der Entschluss schnell gefasst, den wollen wir unbedingt mal laufen!
Im Sommer 2013 war`s dann soweit, wir flogen mit großen, schweren Wanderrucksäcken und Campingausrüstung direkt nach Bastia. Nachdem der GR20 mit seinen fast 170km nicht gerade kurz ist und wir nicht zu den Trailrunnern gehören, haben wir uns erst mal den Südteil vorgenommen.
Der Wanderweg führt ungefähr vom Nordosten in den Südwesten der Insel und verläuft dabei in 16 Etappen auf den höchstgelegenen Wanderwegen, vorbei an namhaften Gipfeln. Es gibt mehrere Ein- und Ausstiegsvarianten, was vor allem bei schlechtem Wetter von Vorteil ist. Im Norden sind die Berge höher, entsprechend ist auch der Weg anspruchsvoller, da alpiner. Der Süden ist etwas einfacher und so entschieden wir uns für diesen Teil, um ein Gespür für die Insel zu bekommen, was sich als sinnvoll erwies. Der Südteil unterteilt sich in 6 Etappen, übernachtet wird dabei in Berghütten, Mietzelten neben den Hütten, oder so wie wir, im eigenen Zelt. Da nahezu die gesamte Strecke des GR 20 durch Naturschutzgebiete verläuft, ist hier Wildzelten verboten und das wird auch überwacht. Nur bei den Hütten ist es erlaubt, nach vorheriger Anmeldung bei den Wirtsleuten. Die Einteilung der Etappen ist damit relativ einfach, es geht im Prinzip von einer Hütte zur nächsten. Auf den Hütten selbst kann man heute meist auch essen oder Verpflegung kaufen. Unser Wanderführer war in der neuesten Auflage schon etwas veraltet und warnte noch, dass Lebensmittel oder Essen nicht auf jeder Hütte erhältlich seien, man also für 2-3 Tage eigene Verpflegung mitnehmen sollte.
Zu jeder Tourenplanung gehören natürlich Wanderkarten und ein Wanderführer. Da der GR 20 durchgängig sehr gut markiert ist, hat uns im Prinzip für jeden Teil der Insel jeweils eine französische IGN-Karte im Maßstab 1:100.000 für den Überblick ausgereicht und zur Ergänzung ein Wanderführer, der die einzelnen Etappen detailliert beschreibt. Wir fanden den Rother Wanderführer von Korsika und den Outdoor-Wanderführer (beschreibt nur den GR 20) hilfreich. Ein Wanderführer ist neben der Tourenbeschreibung vor allem wegen der Angaben zu den Quellen - oder den jahreszeitlich bedingt versiegten Quellen - unerlässlich.
Doch genug der langen Vorreden, zur Tour!
Vom Flughafen Bastia aus ging es zuerst mit dem Bus ins Zentrum und dann mit der Inselbahn, dem "feurigen Elias", im Schneckentempo nach Corte, der alten Hauptstadt. Hier bieten sich zahlreiche Campingplätze an, von denen aus man direkt zum GR20 wie auch zu diversen Tagestouren starten kann. Auch lohnt es sich, noch einmal die Lebensmittelvorräte aufzufüllen, da die Verpflegungsmöglichkeiten unterwegs beschränkt sind, doch dazu später mehr.
Von der Burg in Corte aus hat man einen guten Überblick über die Altstadt; an der Spitze des Zeigefingers befand sich unser Zeltplatz.
Nach einem kurzen Stadtbummel nach der langen Anreise waren wir froh um eine ruhige Nacht auf dem Campingplatz zur Akklimatisation...
Mit dem ersten Bus des Tages ging es am folgenden Morgen in vielen Serpentinen zum Einstiegspunkt des Südteils des GR 20, dem Col de Vizzavona - und gleich darüber hinaus bergab! Bei uns daheim hätte man wohl von einer Bedarfshaltestelle gesprochen, hier halfen ein paar freundliche Worte auf französisch um den Busfahrer zu überzeugen, zumindest bei der nächsten Möglichkeit zu halten. So liefen wir erst einmal auf der Hauptstraße zurück zum Pass und bogen auf den Wanderweg ab. Bis zum ersten Tagesziel folgte sodann ein langer schweißtreibender Anstieg zur ersten Hütte, belohnt von schönen Ausblicken.
Eine Einzelbeschreibung aller Etappen führt zu weit, daher möchten wir nur unseren Gesamteindruck beschreiben. Für den gut trainierten Wanderer handelt es sich definitiv um einen großartigen Weitwanderweg in atemberaubend schöner Bergwelt. Allerdings sind die Tagesetappen lang und fordernd, selten finden sich Passagen, auf denen man entspannt dahinlaufen kann, Meist muss man sich bei jedem Schritt konzentrieren. Trotz der Höhe kann es in den Mittagsstunden richtig heiß werden und im August sind kräftige Hitzegewitter häufig. Nachts dann wird es frisch, ein nicht zu dünner Schlafsack ist empfehlenswert.
Man benötigt definitiv eine normale Bergausrüstung (Handschuhe, Mütze, warme Sachen, Regenkleidung, Sonnenschutz usw.), um auch bei Wetterumstürzen nicht in ernste Schwierigkeiten zu geraten. Dadurch waren unsere Rucksäcke groß und insgesamt zu schwer. Dies war vor allem unseren Überlegungen geschuldet, Essen für mehrere Tage mitnehmen zu müssen (siehe weiter unten unter Punkt Essen und Trinken).
Und sonst? Die Tour war klasse, vorausgesetzt man hat vorher ausreichendes Training mit einem schweren Rucksack absolviert. Die Ausblicke waren vor allem am Morgen super, doch schon am Vormittag bildeten sich täglich Quellwolken, aber zum Glück keine Gewitter. Leider ist der GR 20 kein Geheimtipp mehr und durch die zunehmend bessere Versorgungslage auf den Hütten nimmt auch der Bergtourismus stark zu, zu sehen an der großen Zahl von fest installierten Mietzelten vor den Hütten. Dieser Trend dürfte sich weiter fortsetzen. Abends trifft man oft die gleichen Leute wieder, während man unter dem Tag manchmal nur wenigen Wanderern begegnet.
Wir haben auch ein paar Gipfel neben der Hauptroute bestiegen, einfach der Aussicht wegen.
Die folgende Fotostrecke vermittelt einen guten Eindruck der Route, deren Endpunkt in dem Örtchen Conca liegt. Von dort fuhren wir am nächsten Tag mit dem Bus weiter Richtung Süden nach Bonifacio ans Meer. Der Kontrast zum Inselinneren war groß, hier war es heiß, voll mit Touristen und auf dem Zeltplatz lagen wir dicht an dicht.
Nach zwei Nächten im Trubel nahmen wir erneut den Bus, um die Insel weiter im Uhrzeigersinn zu umrunden.
Nahe Propriano legten wir drei Nächte in Campomoro auf dem Zeltplatz ein, um einen schönen Küstenwanderweg auszuprobieren und das Meer zu genießen.
Nach dem Besuch der Küste ging es mit dem Bus über die Hauptstadt Ajaccio zurück ins Inselinnere nach Corte. Dort durchwanderten wir das schöne Tavignaotal auf einem alten Maultierpfad, der auch heute noch genutzt wird, allerdings von mehr Touristen als von Lasttieren. Wären wir das Tal noch weiter hoch gelaufen, wir wären erneut auf den GR 20 gestoßen, allerdings auf den nördlichen Teil, doch das sollte unsere nächste Reise werden!
Was die öffentlichen Verkehrsmittel betrifft, sind die Insel oder auch die ehemalige Inselhauptstadt Corte selbst sehr überschaubar. Man kann zwischen Zug und Bus wählen. Letztere fahren über die gesamte Insel zu allen größeren Orten. Wir empfehlen dringend, die Fahrzeiten vorher im Internet zu recherchieren, um nicht die einzige Verbindung des Tages zu verpassen. Man sollte auch bei Transfers, z.B. zurück zum Flughafen immer einen Zeitpuffer einplanen. Mit dem eigenen Auto anzureisen oder uns einen Mietwagen zu nehmen, kam für uns nicht in Frage, da erstens ziemlich teuer und zweitens für uns unzweckmäßig, weil Start- und Zielpunkt der Tour zu weit auseinander lagen.
Auf den Hütten gibt es inzwischen fast immer etwas zum Abendessen, wenn auch in sehr unterschiedlicher Qualität. Von Wassereintopf mit Linsen bis zur üppig gefüllten Pfanne mit köstlichem Gemüse, Nudeln, Käse und frischem Brot war alles dabei. Kommt man Nachmittags an, einfach beim Hüttenwirt vorbestellen, er sagt einem dann die gemeinsame Essenszeit. Proviant kann man ebenso erwerben, allerdings ist die Auswahl sehr unterschiedlich. Brot gab es nur zum Teil, die typische korsische Salami aus Schweinefleisch - aus wilden Hausschweinen oder zahmen Wildschweinen hätte Asterix vielleicht gefragt - dafür so gut wie immer, ebenso Nudeln oder Kekse. Oft findet sich auch leckerer Käse aus eigener Produktion.
Hätten wir das vorher gewusst, wir hätten wohl auf einigen Proviant und den eigenen Kocher verzichtet und damit etliche Kilo Gewicht gespart.
Trinkwasser aus Quellen gibt es stets bei den Hütten und manchmal auch unterwegs - wenn sie nicht versiegt sind! Ein genaues Studium der Karten und des Wanderführers sind somit unerlässlich.
Ein Highlight waren für uns die Übernachtungen im eigenen Zelt - frische Luft statt miefiger, rammelvoller Berghütte. Die Ausstattung der Hütten ist doch meist recht spartanisch und eng. Man muss jedoch rechtzeitig am Nachmittag an den Hütten ankommen, sonst sind die guten Zeltplätze weg und man muss doch in die Hütte oder das Mietzelt ausweichen.
Die Etappen sind lang und weiter oben meist komplett der Sonne ausgesetzt. Im Sommer ist es meist heiß und trocken, Nachmittags können sich Gewitter entwickeln, so dass sich ein früher täglicher Start anbietet.
Daumen hoch! Für den gut trainierten Wanderer handelt es sich definitiv um eine großartige Weitwanderung in atemberaubend schöner Bergwelt. Allerdings sind die Tagesetappen lang und fordernd, selten finden sich Passagen, auf denen man entspannt dahinlaufen kann, Vielmehr muss man sich bei jedem Schritt konzentrieren. Die Aufgeschlossenheit der Korsen Fremden gegenüber hält sich - auch mit französisch-Kenntnissen - überwiegend in Grenzen. Das haben uns auch Festlandsfranzosen bestätigt! Aber wir hatten zum Glück auch sehr herzliche Begegnungen. Wir werden wohl bald den Nordteil des GR 20 ausprobieren müssen, sonst bleibt das Bild zu unvollständig...
7 von 10 korsischen Würsten. Tolle Natur und körperliche Verausgabung bis zum Abwinken. Kulinarisch gesehen ist Korsika eine Berg- und Talfahrt. Vor allem auf den Hütten! Es wird auf jeden Fall die Vorfreude auf die heiße helle und saubere Dusche daheim immens groß ;-).