In Teil 3 unserer Serie übers Bikepacking beschreiben wir Euch unsere Fahrräder ausführlich und unsere Überlegungen, welches Rad wir für unsere Bikepacking-Abenteuer als ideal ansehen. Wir beziehen uns dabei auf unsere Erfahrungen aus den letzten drei großen Bikepacking-Touren durch die Abruzzen, den Apennin und die Seealpen. Dazu stellen wir Euch unsere zwei MTBs mit allen Anpassungen fürs Bikepacking vor.
Transparenzhinweis
Trotz einiger Markennennungen und Verlinkungen zu Herstellern in diesem Artikel handelt es sich um unbezahlte Werbung. Wir geben wie immer nur unsere persönlichen Eindrücke wieder und erhalten keine Bezahlung.
Welche Anforderungen soll unser perfektes Bikepacking-Rad erfüllen?
Vor mittlerweile drei Jahren stand für uns die Entscheidung an, neue Mountainbikes zu kaufen. Unsere bisherigen MTBs waren zwar gut geeignet, um damit mit viel Gepäck und klassischen Radtaschen auf längere Touren zu gehen, doch abseits asphaltierter Straßen war der Fahrspaß begrenzt. Wir interessierten uns für Räder, um sie für Tagestouren und zum Training vor der eigenen Haustür einzusetzen, doch zugleich sollten sie sich für längere Bikepacking-Touren durch bergiges Terrain und auch abseits asphaltierter Straßen eignen.
Relativ schnell entschieden wir uns daher gegen Gravelbikes oder reine Bikepacking-Fahrräder. Modelle die damals für uns in Frage gekommen wären hatten meist einen Stahlrahmen, eine Starrgabel und eine Plus-Bereifung, d.h. Reifenbreiten zwischen 2,8 und 3,0 Zoll. Der Fokus dieser Räder liegt klar auf großen Abenteuern in entlegenen Regionen der Erde. Hier stehen die Robustheit des Materials sowie die Wartungsfreundlichkeit natürlich an erster Stelle. Der Fahrkomfort oder ein geringes Gewicht kommen später.
Wir entschieden uns letztlich für zwei MTB-Hardtails, die sich für unseren Offroad-Einsatz am besten eignen. Der Rahmen soll leicht und relativ steif und die Ausstattung dem jeweiligen Einsatzbereich im Gelände angepasst sein, ebenso die Geometrie und das Handling. Uns waren folgende Dinge wichtig:
- eine gute Federgabel
- gute Qualität der Ausstattung
- eine bergtaugliche Übersetzung
- ein großes Rahmendreieck für eine Rahmentasche und 2 Trinkflaschen
- möglichst einfache Technik (keine Gelenke, Dämpfer usw. wie beim Fully)
- möglichst viele Standardkomponenten wegen der eventuellen Ersatzteilversorgung während der Tour
- 29-Zoll-Bereifung mit mehr Volumen
- geringes Gesamtgewicht
- eine klare, schöne Optik
- gute Fahrleistung auf Asphalt und im leichten Gelände
- Ösen am Rahmen für die Gepäckträgermontage
- Ösen an der Gabel für Bikepackingtaschen
- nicht zu teuer
Ihr seht schon, es sollte die eierlegende Wollmilchsau sein! Klar, alles zugleich ging nicht, doch so schnell gaben wir nicht auf und die Suche begann.
Unsere umgerüsteten MTBs fürs Bikepacking
Wir landeten schließlich beim Specialized Chisel Expert, einem Hardtail mit Alurahmen, moderner Cross-Country-Geometrie, insgesamt guter Ausstattung und, unserer Meinung nach, toller Optik. Wären wir rein nach den Beschreibungen diverser Fachmagazine gegangen, so hätten wir hingegen ein völlig anderes Rad wählen müssen. (Das Thema Marketing im Bereich Bikepacking haben wir schon im ersten Teil dieser Serie angeschnitten.) Doch eine Probefahrt zeigte, die Geometrie passte uns beiden, die Sitzposition ist sportlich und das Rad ist richtig schnell. Man spürt die Rennsportgene des Carbon-Pendants Epic. Die Entscheidung war gefallen!
Allerdings hatten wir vor der ersten Bikepacking-Tour noch ein paar Herausforderungen zu meistern:
- statt des 2x11-Antriebs wollte Clemens lieber die SRAM GX Eagle 1x12-Gruppe
- der Rahmen hatte keine Ösen für einen Gepäckträger und
- keine Ösen für einen großen Flaschenhalter am Unterrohr
- eine Federgabel mit Ösen für Flaschenhalter existiert unseres Wissens bislang ebenfalls nicht
- das Harness-System für die Frontgepäckrolle von Specialized am Lenker funktionierte nur unzureichend
- die runden Lenkergriffe führten bei uns zu eingeschlafenen Händen.
Auf unseren letzten Touren durch die Alpen und im Apennin mussten eine ganze Menge Gepäck sicher am Rad verstaut werden (siehe Teil 2 dieser Serie) und wir benötigten ausreichend Wasser für die Übernachtungen und zum Teil langen Etappen ohne Versorgungsmöglichkeiten. Los geht's, sehen wir uns die Details an!
Unsere Anpassungen der MTBs
Am Beispiel von Clemens` MTB zeigen wir euch alle Anpassungen um das Rad fürs Bikepacking und unsere Anforderungen fit zu machen.
1. Schritt - Schaltung
Umbau der Schaltung von Shimano 2x11-Gang auf SRAM GX Eagle 1x12.
Diese recht teure Maßnahme wäre prinzipiell nicht nötig gewesen. Allerdings passte die Rahmengeometrie des Specialized Chisel nicht wirklich zu dem verbauten Umwerfer. Wieso? Ganz einfach, durch die kurzen Kettenstreben war zwischen dem Hinterreifen und dem Umwerfer gerade noch 2-3 mm Luft! Fährt man also im Gelände und durch Dreck, so wird dieser direkt auf den Umwerfer geschleudert oder sogar abgekratzt, wie bei einem Teigschaber beim Kochen. Für eine dauerhafte Funktion ist so etwas schlecht. Ohne den Umwerfer besteht jetzt sogar die Möglichkeit, bei Bedarf Reifen mit gröberem Profil aufzuziehen.
Ohne Umwerfer wirkt zudem das Cockpit aufgeräumter, da der linke Schalthebel am Lenker entfällt. Im Geländeeinsatz macht die simple Schaltlogik des 1x12-Antriebs dann so richtig Spass, eine klare Verbesserung fürs Bikepacking also!
2.Schritt - Gepäckträger
Der Rahmen hat zwar keine Ösen für einen Gepäckträger am Hinterrad, doch uns gelang eine eigene Lösung. Die Anleitung dazu gibts in einem eigenen Artikel hier und auf unserem YouTube-Kanal haben wir dazu ein Erklärvideo für den Nachbau gedreht.
3. Schritt - zusätzliche Flaschenhalter
Wie wir eine Halbrahmentasche und 2 x 0,75 Liter Trinkflaschen in das Rahmendreieck bekommen haben, lest Ihr hier.
Für noch mehr Wassertransport haben wir am Unterrohr einen extra Flaschenhalter von SKS montiert. Darin lassen sich handelsübliche 1-1,5L PET-Flaschen transportieren.
Allerdings benötigt der Flaschenhalter normalerweise Ösen zur Montage am Unterrohr. Nachdem diese am Rahmen fehlen, haben wir aus dem Baumarkt ein Aluprofil zugesägt, auf den SKS-Flaschenhalter mit Epoxidharz aufgeklebt und den modifizierten Flaschenhalter dann mit mehreren großen Kabelbindern am Rahmen befestigt. Damit der Rahmen nicht beschädigt wird, haben wir einfach ein Stück Fahrradschlauch zwischengelegt.
Nach unserer Nice-München Rallye 2018 und den Folgetouren im Jahr 2019 und 2020 können wir beruhigt sagen, unsere Bastellösung funktioniert super!
Die ausführliche Anleitung dazu gibts in einem eigenen Artikel hier.
4. Schritt - Cargo-Cages an der Federgabel
Wir verwenden Cargo-Cages von Salsa an der Federgabel. Die Salsa Anything Cages HD werden mit SKS-Anywhere-Adaptern und Klettbändern an der Gabel montiert. Die Adapter sind nötig, weil es an Federgabeln keine Ösen gibt, um daran die Salsa Anything Cages HD direkt zu montieren.
Mit Packriemen oder dem abgebildeten Fixplus-Riemen kann man anschließend zylindrische Gegenstände oder kleine Packsäcke (wie auf dem Foto zu sehen) an der Gabel transportieren.
Auch das hat auf unserer Sommertour problemlos funktioniert, nur haben wir meist längere Packriemen und etwas größere Packsäcke verwendet. Wichtig ist aus unserer Erfahrung, dass man die Klettriemen sehr fest anzieht und dass das Gepäck eher leicht ist.
(mittlerweile verwenden wir eine bessere Lösung, zum Test geht es hier)
5. Schritt - Harness-System für die Gepäckrolle am Lenker
Nachdem sich das Harness-System von Specialized bei uns anfangs nicht sicher am Lenker befestigen liess, haben wir selbst ein paar Anpassungen vorgenommen und sind damit sehr zufrieden. Wie es funktioniert und warum wir dieses Harness-System verwenden, lest ihr hier.
Abschliessende Bemerkung
Die restlichen Anpassungen am Rad waren fast schon banal.
- Für eine bessere Ergonomie montierten wir uns am Lenker statt der runden Standard Griffe Ergon-Lenkergriffe mit kurzen Hörnchen.
- In langer Kleinarbeit haben wir noch alle Kontaktpunkte zwischen Rahmen und allen Bikepacking-Taschen mit einer speziellen durchsichtigen Rahmenschutzfolie abgeklebt. So wird der Lack des Rahmens zuverlässig vor Kratzern geschützt.
- Im vergangenen Jahr haben wir die Übersetzung der SRAM GX Eagle Gruppe noch etwas geändert. Statt einem Kettenblatt mit 32 Zähnen ist jetzt eines mit nur 30 Zähnen montiert. Zum Thema der passenden Übersetzung für die Tour findet Ihr unserem extra Artikel mehr.
Alle Umbaumaßnahmen am Rad haben sich letztlich bewährt. Unsere Nice-München Rallye im Sommer 2018 und die Folgetouren (siehe unsere Abenteuerliste) verliefen völlig problemlos, so dass wir mehr Zeit hatten die großartige Landschaft zu genießen und uns nicht mit ärgerlichen Reparaturen während der Tour herumschlagen mussten. Selbst für eine größere Tour in entlegenere Regionen der Erde würden wir unser Setup so verwenden. Ideen für das nächste Reiseziel spuken bereits durch unsere Köpfe, also schaut regelmäßig auf unserer Seite vorbei!
Wer wissen möchte, welche Ausrüstung wir für eine Bikepacking Tour in den Bergen alles mitnehmen, der findet hier unsere Packliste samt Video!
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